„In der Art wie das Kind spielt, offenbart sich der Mensch.“
Rudolf Steiner
Grundlage unserer Arbeit ist die Waldorfpädagogik Rudolf Steiners. Außerdem orientieren wir uns an den Richtlinien des Berliner Bildungsprogramms.
Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht das Bedürfnis der Kinder nach Hülle und Sicherheit. Wir möchten den Kindern einen Ort schaffen, wo sie frei spielen können, Erlebtes durch Nachahmung verarbeiten können und sich sicher fühlen um selbstständige, hilfsbereite und sich frei fühlende Menschen zu werden.
Wir leben einen rhythmisch gegliederten Tages-, Wochen- und Jahreslauf mit christlichen Festen. Durch sinnvolle Tätigkeiten als Vorbilder im häuslichen, wie im handwerklichen und gärtnerischen Bereich fördern wir die Sinnespflege und bieten Anregungen für das freie Spiel.
Im Haus und im Garten haben wir Spielbereiche mit verschiedenen Naturmaterialien, welche die Phantasiekräfte der Kinder und das Erleben der Jahreszeiten und der Natur.
Die Sprache und Musik wird durch Jahreszeitlich passende Märchen, Lieder, Reigen, Handgestenspiele, Puppentheater, der Eurythmie und dem gemeinsamen musizieren gefördert.
Wir legen großen Wert auf die gemeinsame Arbeit und dem Miteinander mit den Eltern und Erziehungsberechtigten. Denn nur gemeinsam können wir das Kind anregen sich frei zu entwickeln und seinem Wesen die Möglichkeit geben sich zu offenbaren.
Konzept
Vorbild und Nachahmung
Es bedarf der Hingabe von Eltern, ErzieherInnen und allen anderen Mitmenschen, dem Kind in seiner Entwicklung gerecht zu werden. Hierfür gilt es, seine Umgebung, seinen Tagesablauf und sein Tun sinnvoll und seinem Alter angemessen zu gestalten, mit ihm zu erleben und ihm vorzuleben.
Kinder sollten sich nicht nur den Vorstellungen und Bedürfnissen der Erwachsenen anpassen müssen. Sie sollten den zivilisatorischen Einflüssen der Erwachsenenwelt nicht hilflos ausgeliefert sein. Im Waldorfkindergarten wird sich deshalb darum bemüht, den Kindern eine möglichst förderliche Früherziehung zu gewährleisten. Hier wird auf gesunde Ernährung und Kleidung geachtet, auf eine schöne, qualitätsvolle Einrichtung und Gestaltung der Innenräume, auf abwechslungsreiche Spielplätze und vielseitiges, die Phantasie und Sinne anregendes Spielmaterial.
Alles wird so vorgelebt, dass es von den Kindern mitvollzogen werden kann.
Es liegt in der Natur des Kindes, dass es in bedingungslosem Vertrauen dem Vorbild des Erwachsenen folgen möchte. Das Kind braucht Vorbilder, an denen es sich orientieren kann und die es nachahmen kann. Das äußere Verhalten wie auch die innere Haltung des Erwachsenen bilden eine grundlegende Lernumgebung des Kindes und prägen dessen Biographie auf bestimmte Weise.
Durch die Nachahmungstätigkeit identifiziert sich das Kind mit seinem Vorbild. Somit wird der Erwachsene zum Bildner des Kindes. Seine individuelle Persönlichkeit ist die eigentlich bildende Umgebung des Kindes und die hier entstandene Wesensbegegnung wird zum tragenden Grund für das Lernen des Kindes.
Hier wird ersichtlich, welche Verantwortung der Erwachsene trägt, weshalb sich unter diesem Aspekt auch erkennen lässt, warum Erziehung in erster Linie Selbsterziehung des Erziehers ist.
Denn nur durch Selbsterziehung und immer wieder bewusste Reflexion der eigenen Tätigkeit kann der Aufgabe, Vorbild zu sein, gerecht werden.
Rhythmus, Wiederholung und Jahresfeste
Im alltäglichen Leben sehen wir Rhythmus meist als gegeben und selbstverständlich an. Er ist eine gleichmäßig gegliederte Bewegung jeweils zweier Kräfte, durch deren Zusammenwirken ein Zustand der Ausgeglichenheit bewirkt wird. Rhythmus begegnet uns in vielen Bereichen des Lebens: in der Natur, zum Bespiel beim Wechsel von Tag und Nacht, bei Ebbe und Flut oder im Wandel der Jahreszeiten. Die Sterne bewegen sich in kosmischen Rhythmen, Pflanzen folgen in ihrem Wachstum den Jahreszeiten.
Auch der Mensch hat einen Herz-Atem-Rhythmus. Lebensrhythmen bewusst zu pflegen bedarf einer gewissen Disziplin im Umgang mit uns selbst sowie mit anderen. Dies gilt besonders für die Erziehung und Entwicklung von Kindern.
Die Waldorfpädagogik geht von der Annahme aus, dass Rhythmus in gewisser Weise zur menschlichen Gesundheit beiträgt. Denn was regelmäßig wiederkehrt, schafft Sicherheit.
Im Waldorfkindergarten wird das kindliche Wohlbefinden deshalb durch einen Tagesrhythmus genährt, so dass sich das Kind, in Begleitung von rhythmischen Versen und Liedern, in den Tag einschwingen kann. Dieser Tagesrhythmus ist weiter eingebettet in einen Wochen- und Jahresrhythmus.
Eine weitestgehend gleichbleibende Tagesstruktur und feste Tageszeiten für Essen und Schlafen geben dem Kind Sicherheit und Vertrauen, verhelfen ihm dazu, seinen eigenen Rhythmus zu finden und schützen es vor unnötigen Überraschungen.
Im Waldorfkindergarten ist jeder Tag in Zeiten gegliedert, in denen das Kinder ganz aus seinen eigenen Kräften heraus tätig ist. Neben dem Freispiel, das sowohl drinnen als auch draußen stattfindet, gibt es Zeiten, in denen es durch die ErzieherInnen konkret angeregt wird, wie zum Beispiel im Reigen und im Märchenkreis. Angeregt wird hiermit ein Atmungsvorgang: das Einatmen ist die Phase des Innehaltens und Aufnehmens, das Ausatmen die Phase des Ausströmens und des nach außen Agierens.
Darüber hinaus ist das Kind eingebunden in die Kreisläufe der Natur. Diese zeigen sich neben dem Tages- und Nachtrhythmus auch im Wechsel der Jahreszeiten. Hier erleben die Kinder die Vorgänge in der Natur bewusst und unbewusst mit.
Durch die Jahresfeste, die einen Bezug zu bestimmten religiösen Ereignissen und hiermit zu den Jahreszeiten haben, bietet sich den Kindern die Möglichkeit, zu ihrer natürlichen Religiosität und religiösen Stimmung zu finden. In jeder Familie kann das Feiern der Jahresfeste zu einer eigenen Tradition und Verbundenheit führen, die den Menschen oft ein Leben lang trägt.
Im Kindergarten spiegelt sich die Stimmung der Jahresfeste auch in der Raumgestaltung wider: es gibt einen Jahreszeitentisch, (Woll-)Wandbilder und Blumenschmuck.
Außerdem gibt es zu jeder Jahreszeit und zu jedem Alter ganz bestimmten Erzählstoff (Märchen und Geschichten), Lieder und Verse im Reigen.
Jeder Waldorfkindergarten ist zwar christlich geprägt, aber nicht konfessionell gebunden. Die Feste bieten eine Gelegenheit, den Menschen in seiner Dreiheit von Körper, Seele und Geist anzusprechen.
Das freie Spiel
Das Spiel der Kinder ist eine wichtige und ernste Angelegenheit, mit der sie sich die Welt zu Eigen machen. In seiner Bedeutung ist es mit der Arbeit des Erwachsenen gleichzusetzen, wobei das kindliche Tun auf Impulsen beruht, die aus ihm selbst aufsteigen und dabei völlig zweckfrei gelebt werden dürfen, während die Arbeit des Erwachsenen einen Sinn und Zweck erfüllt, der sich in die äußere Welt fügen muss.
Das freie Spiel bietet eine außerordentliche Grundlage, die eigene Individualität zu entfalten. Umfassend verwirklicht das Kind im Spiel seine Selbstbildung, in dem es auf unterschiedlichste Art und Weise sämtliche Lebenskompetenzen grundlegend übt.
Das Hauptanliegen waldorfpädagogischer frühkindlicher Erziehung ist es, einen gesunden, adäquat gestalteten und einen dem Kind entsprechenden Spielraum zu schaffen. Das Kind soll sich wohlfühlen und seine Spielbedürfnisse entfalten können.
In der Raumgestaltung sollte für die Kinder Klarheit und Ordnung ersichtlich sein.
Das Spiel des Kindes sollte schöpferisch und frei sein. Es sollte die Sinne anregen und dabei unbeeinflusst bleiben von lehrhaften und reflektierenden Eingriffen der Erwachsenen. Das Kind soll die Welt ergreifen und begreifen können. Dabei sollte das Spielmaterial möglichst einfach sein, sodass es dem Kind viel Raum für die eigene Phantasie lässt und vielseitig einsetzbar ist.
Das Spiel bietet dem Kind die Gelegenheit, Erlebtes aus der eigenen direkten Umgebung aus eigenem Willen heraus zu ergreifen und durch nachahmendes tätig werden kreativ zu verarbeiten. Wie nebenbei werden Welterfahrungen, die das Kind täglich macht, im freien Spiel verinnerlicht. Im Spiel begreift das Kind naturgesetzliche Zusammenhänge und erfasst allein durch tätiges Sich-Verbinden mit der Welt das ganze Repertoire der Gesetze der mechanischen Physik, ohne gedankliche Betrachtung und Reflexion. Diese intensive Wahrnehmung, die das Kind hier betreibt, ist die beste Voraussetzung für späteres naturwissenschaftliches Forschen.
Auch negative Erfahrungen, Ängste, Hemmungen oder Aggressionen können im Spiel verarbeitet und abgebaut werden und in positive Kräfte umgewandelt werden. Indem das Kind aus eigenem Antrieb handelt, Werte und Regeln selbst bestimmt, erwirbt es Autonomie, Souveränität und Freiheit. Es lernt, den eigenen, von innen kommenden Impulsen treu zu bleiben und diese tätig in die Wirklichkeit umzusetzen. Es lernt zu fühlen, was es will oder nicht will und was es tut und dabei die Folgen immer besser zu überschauen. Somit erwirbt das Kind Grundlagen der Moralität und Besonnenheit für das spätere Leben und es erlebt die Bedeutung von Freiheit, schöpferischer Phantasie und Ich-Kompetenz, sowie persönliche Verantwortung, Regelbewusstsein und Rücksichtnahme.
Das Spiel wirkt letztlich auf das ganze Wesen des Kindes. In ihm werden die Fundamente für Gesundheit, seelische Empfänglichkeit, Geistesgegenwart und für die Fähigkeit zum verantwortungsvollen Handeln gelegt.
In der Kindheit Erspieltes wird zum „Lebensvermögen“ im Erwachsenenalter.
Kurzkonzeption
Ins Zentrum seiner anthroposophischen Geisteswissenschaft hat Rudolf Steiner die Anschauung des Menschen gestellt: Jedes Kind, das geboren wird, ist eine unantastbare Individualität, ein geistiges Wesen, das seinen Weg auf die irdische Welt sucht. In seiner Vergangenheit ist es bereits durch viele frühe Erdenleben hindurchgegangen und hat dadurch Erfahrungen, Begabungen, Errungenschaften wie auch Belastungen erworben. Mit Hilfe hoher geistiger Wesen (Engel) wurden diese – vor dem Eintritt in das bevorstehende irdische Leben – zu einem individuellen Schicksalsgewebe verdichtet. Als keimhafte Anlage und verbunden mit zunächst noch verborgenen Impulsen für die Zukunft und die Gestaltung seines Lebens auf der Erde, trägt das Kind dieses Gewebe tief und unbewusst in sich.
Es ist die Aufgabe der Erwachsenen, die das Kind mit der irdischen Geburt empfangen und begleiten, diese Anlagen liebevoll und mit Achtung zu pflegen, so dass das Kind in Übereinstimmung mit seinen individuellen Anlagen und Bestimmungen leben und handeln lernt, seinen eigenen, individuellen Weg ins Erwachsenenalter finden kann und somit zur Freiheit gelangt.
Denn die Sehnsucht nach Freiheit – allgemeinmenschlich und individuell zugleich – ist es, die alle Menschen verbindet.
Die Erziehung zur Freiheit ist ein hohes Ideal. Mit ihr geht eine große Verantwortung einher, die konkret darin besteht, dass die innere Haltung und Gesinnung, mit der ein Erwachsener im täglichen Umgang dem Kleinkind begegnet, gestaltend und prägend auf die kleinkindliche Leiblichkeit wirkt und Konsequenzen für die Ausbildung seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit, Resilienz und Kreativität hat. Nicht durch gedankliche Operationen, sondern durch handgreifliche, sinnlich-konkrete Erfahrungen, die das Kind in seiner direkten Umgebung machen kann, werden die Grundlagen für die spätere Reflexions-, Kommunikations- und Handlungsfähigkeit des Erwachsenen angelegt. Eine differenzierte Entfaltung der motorischen Fähigkeiten und der Aufbau einer intensiven Bindung zu den Bezugspersonen, erworben durch ganz bestimmte Tätigkeiten und Erfahrungen der frühen Kindheit, bilden die Basis für die gesunde Entwicklung von gedanklich-fachlicher Kompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz im zunehmenden Alter.
Das Lernen im Kindergarten ergibt sich ohne Reflexion unmittelbar aus dem Wahrnehmen der Umwelt und aus dem Mitvollziehen der in der Umwelt stattfindenden Aktivitäten.
Es liegt in der Natur des Kindes, sich rückhaltlos hinzugeben an die sinnlichen Eindrücke und sich tätig zu verbinden mit der Welt. Dadurch wird erkennbar, dass Lernen in diesem Alter ein komplexer und ganzheitlicher Vorgang ist, der sich nicht in konkrete Lernfelder zerlegen lässt. Einzelne Bildungsbereiche lassen sich nicht isoliert fördern, da sie auch in der Realität niemals isoliert auftreten. Im Gegenteil: sie mischen sich und überschneiden sich vielfältig.
Anwesend in jedem Tun und Handeln sollte die ethisch-religiöse Bildung sein, wobei nicht der Inhalt von besonderer Bedeutung ist, sondern vielmehr die Frage, ob der Erwachsene in der Lage ist, auf authentische Weise eine Grundhaltung der Ehrfurcht vorzuleben und somit Andacht und Liebe als Lebenspraxis zu verwirklichen. Denn das reale Erleben solch einer Haltung kann auf das Kind eine tiefe moralische Wirkung haben.
Indem das Kind die Möglichkeit hat, eine Fülle von vielfältigen und wirklichkeitsgesättigten Tätigkeiten und Lebenszusammenhänge erleben und erfahren zu dürfen, erfolgt außerdem die Veranlagung von Kohärenz und Resilienz. Unmittelbare Erfahrungen werden durch die eigene Betätigung und Entdeckerfreude des Kindes herausgefordert und stärken letztlich die Selbstbildungsfähigkeit.
Des Weiteren sieht die Waldorfpädagogik ihre Aufgabe darin, die spätere Fähigkeit in Bezug auf gedankliche Reflexion und intellektuelle Urteilsbildung zu fördern, dass sie im Elementarbereich eben noch nicht explizit herausgefordert wird. Erst gegen Ende des ersten Jahrsiebts, wenn das Kind eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht hat, sollten eine bewusste Reflexion und gedankliche Arbeit Teil des Lernprozesses werden. Davor belehrt sich das Kind selbst an den von den Erwachsenen gestalteten Tatsachen und Verhältnissen seiner Umwelt.